David Six
DAVID SIX - DANCE WITH THE GHOSTS
ARTIST STATEMENT
Ich habe erlebt, dass Musik - in Konzertsituationen wie auch Zuhause - sehr mobilisierende, motivierende und gemeinschaftsbildende Wirkungen entfalten kann. Das macht sie zu einem politischen Instrument. Klang, Melodie, Rhythmus und deren Formung sind grundsätzlich jedoch neutrale Werkstoffe, die erst durch ihre Kontextualisierung politische Qualität gewinnen. Dieser Prozess der Kontextualisierung ist es, der mich beim Projekt DANCE WITH THE GHOSTS zentral beschäftigt und somit die Frage, wie man bei der Gestaltung instrumentaler Musik und durch die Performance ebendieser politische Positionen beziehen kann.
Heutzutage neue Musik zu schreiben, ist auf seine Art besonders. In einer Welt des schnellen News-Konsums und einer Fülle an Infotainment ist Aufmerksamkeit kurzlebig. Dies betrifft nicht nur den Gebrauch von Musik. Generell wird das uns konstant umspülende mediale Grundrauschen durch seine enorme Quantität oft zur Un- Bewältigbarkeit. Indifferenz und der Verlust an wirklicher Anteilnahme sind häufig die Folge. Dies oft sogar bei Themen, wären diese unmittelbar von uns selbst, oder von uns nahestehenden Personen erlebt, uns im innersten Kern erschüttern, berühren oder erfreuen würden. Diese Themen sind die Geister unserer Zeit. Mein Projekt DANCE WITH THE GHOSTS setzt genau bei dieser Feststellung an.
Eine Art von unabhängiger Pilot-Veröffentlichung geht ihm schon voraus:
Ein Stück für Oud und Klavier bezugnehmend auf die Flüchtlingssituation an der Europäischen Aussengrenze mit dem Titel Moria (op.102). Das nach konzertanten Aufführungen sowie in online-Kommentaren erhaltene, äusserst eindrucksvolle Publikums-Feedback zu der Komposition hat mir verdeutlicht, dass Musik durch ihre ausgeprägt emotionalisierende Wirkung es vermag, über das Grundrauschen der Newsfeeds hinweg eine Art Brücke zwischen Ereignis und Individuum zu schlagen. So, als würde Musik die verebbten Verbindungen zwischen uns Menschen wieder anregen und erfahrbar machen.
Eine enorme Welle an Dankbarkeit hat mich im Zuge dieser Veröffentlichung erreicht und das Stück Moria (op.102) wurde eines, das auf seine Art nachwirkt. Die
Rückkoppelung dieser Wirkung inspiriert nun in Folge das gesamte Konzept des Projekts DANCE WITH THE GHOSTS bis hinein in die klangliche Gestaltung.
Praktisch gesehen bedeutet dies für mich als Komponist für vorwiegend instrumentale Musik, dass schon in den Spielanweisungen an meine Musiker*innen die thematischen Bezüge der einzelnen Stücke ganz klar enthalten sein müssen. (zBsp. Textpassagen in den Partituren oder mündliche Erklärungen bei improvisierten Stücken).
Die Kontextualisierung wird so integraler Bestandteil der Kompositionen.
Gleichzeitig muss diese auch dem Publikum vermittelt werden. Hierzu verwende ich eindeutige Werkstitel (wie z.B.: Moria, Collateral Murder, Trips Weaver, etc...) wie weiters Text-und Audioformen unterschiedlicher Medienplattformen (zBsp. Erzählungen eines Flüchtlings von seinem Aufenthalt auf der Insel Lesbos oder ein Interview mit Julian Assenge, etc.)
Mit diesen Motiven soll die Fantasie der Zuhörerschaft angeleitet werden an ganz konkreten politisch relevanten Ausgangspunkten anzuknüpfen, um sie im Zuge des Musikhörens jedoch selbstständig wandern zu lassen: Eine Art Koordinatensystem für die Ohren, in dem meine Musik ihre individuelle Wirkung frei entfaltet.
Musik ist aber auch schon im Schaffensprozess eine politische Angelegenheit:
In Österreich wird Kunst und Kultur in all ihren Formen ein hoher Stellenwert zugeschrieben und uns Kulturschaffenden stehen dadurch diverse Förderprogramme zur Verfügung. Kulturförderung bezieht sich gerne auf den vielbesagten Spiegel der Kunst. Auch vom vervielfältigten Rückfluss in die Gesamtwirtschaft eines jeden in die Kulturbranche investierten Euro die Rede. Dennoch sind die Arbeitsbedingungen von Musiker*innen gerade in der freien Szene oftmals prekär.
Da sich die Verantwortung gegenüber einem Projekt wie dem hier beschriebenen jedoch auch weiter in die gesamte Szene überträgt, ist es für mich von großer Relevanz, meinen Mitmusiker*innen faire Arbeitsbedingungen zu bieten. Dies beginnt bereits mit bezahlter Probearbeit, die normalerweise unentgeltlich ist.
Zudem ist es mir als Vater zweier Töchter ein nicht nur auf persönlicher Ebene wichtiges Anliegen, mit meinen Projekten auch eine Art Ermutigung für stärkere weibliche Sichtbarkeit in der freien Musikszene darzustellen, da diese leider sehr männlich
dominiert ist. Ich möchte daher einen Rahmen bieten können, in dem die Vielfalt an Musiker*innen deutlich wird, und von deren Vorbildfunktion hoffentlich auch künftige Generationen profitieren.
Wie vielleicht ersichtlich wird, erlangen nach Jahren als praktizierender Musiker und Komponist die Dimensionen des Politischen in der Musik für mich zunehmend an Relevanz. Ich habe den Eindruck, dass ich mit DANCE WITH THE GHOSTS ein für mich lange gesuchter Weg beschreiten lässt, der ein gewisses Zurückgeben an die Gesellschaft auch ausserhalb der Sphäre des rein Ästhetischen ermöglicht. Es soll meinem Handwerk (und meiner Wahrnehmung) eine Form von zusätzlichem Gewinn zuteil werden lassen. Ähnlich einem Spiegel, der über seinen eigenen Rahmen hinausragt.
Es ist eine Art von persönlichem Entwicklungsprozess, der sich sowohl innerhalb wie selbst ausserhalb des Musikalischen in diesem Projekt abbildet und zunächst auf der Erkenntnis beruht, dass das Politische zugleich auf verschiedensten Ebenen passiert: Im Kleinen, - im Proberaum oder in der Zusammenstellung eines Ensembles - wie auch im Großen, in gesellschaftlichen Entwicklungen und deren (Wider) Spiegelung.
Da Musik in ganz konkreten politischen Umständen entsteht, sollte sie deshalb den Mut haben sich aktiv und gezielt mit den ihr eigenen Mitteln in den politischen Diskurs einzubringen.
DANCE WITH THE GHOSTS - ENSEMBLES:
Da die für dieses Projekt entstandenen Werke stilistisch sehr breit auffächern und unterschiedliches Instrumentarium erfordern, ist die Arbeit mit mindestens zwei verschiedenen Ensembles notwendig: Das erste Ensemble ist kammermusikalisch besetzt mit Violine, Violoncello, Klarinette, Trompete, präpariertem Klavier und Percussion. Das zweite Ensemble hingegen agiert eher wie eine klassische Jazz- Besetzung mit Trompete, Kontrabass, Schlagzeug und Klavier. Zusätzlich werden auch noch Kompositionen für Duo-Besetzungen und solistische Werke zu hören sein (Gitarre, Saxophon, Klavier, Violoncello).
Herausragende Musiker*innen sind bei der Realisierung dieses Projekts involviert:
Ensemble Set I
Irene Kepl Violine
Clemens Sainitzer Violoncello
Mona Matbou Riahi Klarinette
Simon Zöchbauer Trompete
András Des Percussion
David Six Klavier & Komposition
Ensemle Set II
Mario Rom Trompete
Lukas König Schlagzeug
Beate Wiesinger Kontrabass
David Six Klavier & Komposition
Zusätzlich:
Maura Knierim Harfe
Zsòfia Boros Gitarre
Irene Kok Violoncello
Andrej Prozorov Saxophon